Atazanavir (Reyataz®)

Einleitung

Atazanavir [BMS-232632, ex CGP-73547] (Hersteller: Bristol-Myers Squibb, Handelsname Reyataz®) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Protease-Inhibitoren genannt werden. Weitere Substanzen dieser Klasse sind Amprenavir, Darunavir, Indinavir, Lopinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Saquinavir und Tipranavir. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der HIV-Protease. Die Blockierung dieser "Eiweiss-Schere" führt zu unreifen, nicht-infektiösen Viren, d.h. sie können keine weiteren Zellen mehr infizieren. Protease Inhibitoren verhindern deshalb bei HIV-infinzierten Personen neue Infektionszyklen. Zwischen den einzelnen Proteaseinhibitoren besteht eine weitgehende Kreuzresistenz; d.h. gegen Viren, die auf die eine Substanz unempfindlich geworden sind nützen auch die anderen Medikamente dieser Substanzklasse nichts mehr, oder zumindest nicht mehr zuverlässig.

Atazanavir wurde in den USA am 20.6. 2003 zur Behandlung der HIV-Infektion zugelassen. In der Schweiz wurde Atazanavir  in Kombination mit einer Minidosis Ritonavir am 06.05.2004 zunächst zur Behandlung von vorbehandelten PatientInnen zugelassen und ist seit dem 01.08.2004 kassenpflichtig; seit dem 1. November 2008 ist die Substanz auch zur Therapie bisher unbehandelter PatientInnen zugelassen. 

Protease Inhibitoren werden vorzugsweise zusammen mit zwei Nukleosidanaloga RT-Hemmern eingesetzt. Im Idealfall handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen eine Person noch nie zuvor behandelt wurde. Bei vorbehandelten Personen ist dies nicht immer möglich. In diesem Fall sollte ein Therapiewechsel mindestens zwei neue Substanzen ohne Kreuzresistenz umfassen mit denen die Person noch nie zuvor behandelt wurde. Die Zugabe lediglich einer neuen Substanz zu einer unbefriedigenden Therapie führt zur Entwickung von Resistenzen und ist zum Scheitern verurteilt.

Resultate von Studien

Phase I Studien bei gesunden HIV-seronegativen Freiwilligen zeigen eine gute Bioverfügbarkeit (57-80%) und eine Serumhalbwertszeit von 4-7 Stunden, sodass angesichts der IC90 von 8-12nM eine einmal tägliche Dosierung möglich ist.

In der Phase II-Studie (AI424-007) wurden bei 322 PatientInnen drei verschiedene Dosierungen von Atazanavir (1 x 200 mg, 1 x 400 mg und 1 x 500 mg pro Tag) mit Nelfinavir ( 3 x 750 mg pro Tag) bezüglich antiretroviraler Wirksamkeit und Verträglichkeit miteinander verglichen. Während der ersten zwei Wochen wurden die Proteaseinhibitoren als Monotherapie, in der Folge zusammen mit je Stavudin (d4T) + Didanosin (ddI) eingenommen. Unabhängig vom Regime zeigte sich nach zwei Wochen Monotherapie ein Abfall des Viral loads um 1.5log, unter der nachfolgenden Kombinationstherapie zum Zeitpunkt 12 Wochen und in der Folge über 48 Wochen anhaltend ein Abfall von 2.5 log.

In der Phase II Studie AI424-008 wurden bei 467 PatientInnen mit zwei verblindete Dosierungen von Atazanavir (1 x 400 mg und 1 x 600 mg pro Tag) offen mit Nelfinavir (2 x 1250 mg pro Tag) jeweils zusammen mit d4T und 3TC bezüglich antiretroviraler Wirksamkeit und Verträglichkeit miteinander verglichen. Die Wirksamkeit beider Dosierungen von Atazanvir war vergleichbar mit derjenigen von Nelfinavir; ca. 35% der PatientInnen hatten einen Viral load von < 50 HIV-1 RNA Kopien/ml; der Anstieg der CD4-Zellen betrug >200 Zellen/ml.

In der Pilot-Studie AI424-009 wurden 65 zumeist (85%) mit PI's (v.a. Nelfinavir od. Indinavir) vorbehandelte PatientInnen mit einem Viral load von ca. 30'000 RNA-Kopien/ml, ca. 300 CD4-Zellen/mm3 und einem kürzlich zurückliegenden Therapieversagen (nicht-nachweisbarer viral load vor < 6 Monaten) in drei Behandlungsarmen mit je zwei NRTI's randomisiert auf: a) Atazanavir 1 x 400 mg/d & Saquinavir 1 x 1200 mg/d, b) Atazanavir 1 x 600 mg/d & Saquinavir 1 x 1200 mg/d und c) Ritonavir 2 x 400mg/d & Saquinavir 2 x 400mg/d. Nach 48 Behandlungswochen waren die virologischen Ergebnisse der drei Behandlungsgruppen vergleichbar: der Abfall des viral loads betrug 1.2 - 1.7 log bzw. der Anteil der PatientInnen mit einem Abfall des Viral loads von >1 log oder <400 HIV-RNA-Kopien/ml betrug 30-45%. Unter Atazanavir gab es weniger Therapie-bedingte Behandlungsabbrüche als unter Ritonavir/Saquinavir (6-9% vs 26%). Der Anstieg der CD4-Zellen betrug in der Ritonavir-Gruppe 150 und in den Atazanvirgruppen 55 und 110 Zellen/mm3. Total-Cholesterin, LDL-Cholesterin und die Trigylzeride stiegen in der Ritonavir-Gruppe weiter an und blieben in den Atazanavir-Gruppen stabil oder sanken ab. Auffälligste Nebenwirkung war ein Sklerenikterus.

In der Studie AI424-034 wurden 805 zuvor unbehandelte PatientInnen mit einem mittleren Viral Load von 100'000 HIV RNA Kopien/ml und ca. 270 CD4 Zellen/ul doppelbelind entweder mit Atazanavir 400mg/d oder Efavirenz 600mg/d zusammen mit AZT + 3TC (Combivir®) behandelt. Die Wirksamkeit von Atazanvir und Efavirenz war nicht unterschiedlich. Nach 48 Behandlunsgwochen betrug der Anstieg der CD4-Zellen unter Atazanavir + 176 Zellen und unter EFV + 160 Zellen.  Der  Anteil der StudienteilnehmerInnen mit einem nicht nachweisbaren Viral Load (<50 HIV RNA Kopien/ml) betrug 32% bzw. 37%, wenn dieser  mit Blut aus  "PPT-Röhrchen" bestimmt wurde und 57% bzw. 53% bei denjenigen Studienteilnehmerinnen, bei denen eine Nachbestimmung mit Blut aus "EDTA-Röhrchen" möglich war (n= 584).

In der Studie AI424-043 wurden 300 PatientInnen mit einem Therapieversagen (HIV-RNA >1000 Kopien/ml) unter einer PI-haltigen Therapiekombination und mindestens 50 CD4-Zellen entweder mit Atazanavir 400mg/d oder mit Lopinavir/r (Kaletra®) und zwei aufgrund der Vorbehandlung und den Ergebnissen von Resistenztests frei wählbaren Nukleosidanalogen RT-Hemmern behandelt. Die Einnahme von Tenofovir war nicht erlaubt; nachträglich durchgeführte Resistenztests in vor Therapiebeginn entnommenen Blutproben ergaben einen geringen Vorteil für Lopinavir/r (86% der mit LPV/r behandelten Stämme waren auf LPV/r sensibel im Vergleich zu ATV mit 72%). Nach 24 Behandlungswochen zeigte die mit LPV/r behandelte Grupppe einen um 0.3log tieferen Viral Load und der Prozentsatz derjenigen StudienteilnehmerInnen mit einem nicht nachweisbaren Viral Load (<50 HIV RNA Kopien/ml) war ebenfalls grösser (54% vs 38%). Faktoren für einen Behandlungserfolg mit ATV waren ein Sensibilität anzeigenderphänotypischer  Resistenztest vor Therapiebeginn, eine Vorbehandlung mit lediglich einem Proteasehemmer und keine Resistenzmutationen bei den NRTI's. Der Anstieg der CD4-Zellen war in der LPV/r-behandekten Gruppe um 25 Zellen grösser. Fettstoffwechsel-Parameter wie Cholesterin und Triglyzeride besserten sich unter ATV während diese durch LPV/r ungünstig beieinflusst wurden. 

In der Studie AI424-045 wurden 358 PatientInnen mit virologischen Versagen unter mindestens zwei verschiedenen Therapiekombinationen und Resistenzen gegen mindestens eine Substanz aus jeder Medikamentenklasse in drei offene Behandlungsarmen randomisiert auf: a) Atazanavir 1 x 300 mg/d & Ritonavir 1 x 100 mg/d, b) Atazanavir 1 x 400 mg/d & Saquinavir 1 x 1200 mg/d [cave: resultiert in ungenügenden SQV-Talspiegeln!] und c) Lopinavir/r 2 x 3 Kapseln/d. Nach zwei Wochen wurden die intial beibehaltenen "alten" zwei Nukleosidanaloga durch Tenofovir und ein "neues" Nukleosidanalogon ersetzt. Nach 48 Behandlungswochen zeigten die virologischen Ergebnisse für die ATV/SQV-Gruppe einen Abfall des Viral Loads von lediglich 1.55 log während sie für die ATV/r-Gruppe 1.93 und für die LPV/r-Gruppe 1.87 (Differenz 0.13 log, 97.5% CI -0.12, 0.39). Der Anteil der PatientInnen mit nicht nachweisbaren Viral Load (<50 HIV RNA-Kopien/ml) nach 48 (24) Wochen betrug in der ATV/r-Gruppe 38% (42%), in der LPV/r-Gruppe 46% (39%) und in der ATV/SQV-Gruppe 26% (23%). Der Unterschied in der Zeit bis zum Verlust der Wirksamkeit (time to loss of virological response, TLOVR, die neue FDA-Standardanalyse) für ATV/r vs LPV/r betrug -8% (95% CI -20.4-4.4.) was besagt, dass sich kein bedeutsamer Unterschied nachweisen liess. Der Anstieg der CD4-Zellen unter ATV/r und LPV/r war vergleichbar (+120 bzw. +121 Zellen), unter ATV/SQV hingegen geringer (+72 Zellen). Unter ATV/r sanken Cholesterin, LDL-Cholesterin und Trigylzeride; unter LPV/r kam es zu einem Anstieg dieser Parameter mit einem signifikanten Unterschied bei den Triglyzeriden. 8% der patientInnen unter ATV/r und 19% der patientInnen unter LPV/r erhielten Lipdisenker. Hauptnebenwirkung von LPV/r war eine Diarrhoe (11% vs 3%), unter ATVr ein Anstieg des Bilirubins (Grad 3/4 bei 49%  vs 1%). Eine Gelbsucht wurde bei 6% der PatientInnen diagnostiziert, ein Sklerenikteruis bei 3%. Bei keinem der StudienteilnehmerInnen kam es deswegen zu einem Behandlungsabbruch. Bezüglich der  Transaminasen zeigten sich keine Unterschiede.

In der Studie ALERT-Studie wurden 106 bisher unbehandelte Menschen mit einer HIV-Infektion entweder mit Fosamprenavir/r (1 x 1400/100mg/d) oder Atazanavir/r (1 x 300/100mg) [Kontrollarm]  jeweils zusammen mit Tenofovir/Emtricitabin (1x 300/200mg/d) behandelt. Nach 48 Behandlungswochen zeigten 93% (42/45) der mit Fosamprenavir/r und 96% der mit Atazanavir/r behandelten PatientInnen einen viral load von < 400 bzw. 89% (40/45) und 92%  (44/48) einen viral load von <50 HIV-1 RNA-Kopien/ml.

In der Castle Studie wurden 878 zuvor unbehandelte PatientInnen mit einem mittleren Viral Load von knapp 100'000 HIV RNA Kopien/ml und ca. 205 CD4 Zellen/ul offen entweder mit Atazanavir/r 300/100mg/d oder Lopinavir/r 2x 400/100mg/d zusammen mit Tenofovir + Emtricitabin (Truvada®) behandelt. Die Wirksamkeit von Atazanvir und Efavirenz war nicht unterschiedlich. Nach 48 Behandlungswochen betrug der Anstieg der CD4-Zellen unter ATV/r + 203 Zellen und unter LPV/r + 219 Zellen.  Der  Anteil der StudienteilnehmerInnen mit einem nicht nachweisbaren Viral Load (<50 HIV RNA Kopien/ml) betrug 78% bzw. 76%. PatientInnen unter ATV/r hatten weniger Diarrhoe und ein besseres Lipidprofil.

In der Mega-Studie ACTG 5202 wurden 1857 zuvor unbehandelte PatientInnen in vier Gruppen offen entweder mit Atazanavir/r (1x 300/100mg/d) oder Efavirenz (1x 600mg/d) und doppelblind entweder mit Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) oder Abacavir/3TC (Kivexa®) behandelt. Nach 96 Behandlungswochen waren 83% und 89% der mit Atazanavir/r behandelten und 85% und 90% der mit Efavirenz behandelten StudienteilnehmerInnen ohne Therapieversagen. Ebenfalls nicht unterschiedlich war - in der Gesamtpopulation - die Wirksamkeit von von ABC/3TC im Vergleich zu Tenofovir/Emtricitabine. Hingegen bei PatientInnen mit einem viral load von >100'000 RNA-Kopien/ml vor Therapiebeginn
kam es unter Abacavir/3TC - sowohl in der Kombination mit Atazanavir/r als auch in der Kombination mit Efavirenz - rascher zu einem Therapieversagen als unter Tenofovir/Emtricitabine. 
Bedeutsame Resistenzmutationen zum Zeitpunkt der Therapieversagens waren häufiger unter Efavirenz als unter Atazanavir/r. Der Anstieg der Blutfette war grösser unter Efavirenz als unter Atazanavir/r. Unter Efavirenz in Kombination mit Abacavir/3TC (nicht aber in Kombination mit Tenofovir/Emtricitabin) wurden Grad3/4-Nebenwirkungen rascher beobachtet und Therapiemodifikationen früher vorgenommen als unter Atazanavir/r. 
Der Anstieg der CD4-Zellen war grösser (252 vs 221 Zellen) unter der Kombination Atazanavir/r + Tenofovir/Emtricitabin als unter Efavirenz + Tenofovir/Emtricitabin; kombiniert mit Abacavir/3TC ergaben sich keine Unterschiede.
In der Substudie ACTG5224s wurde die Knochendichte und Fettgewebsveränderungen untersucht. In allen Behandlungsarmen wurde während der ersten 48 Wochen eine Abnahme der Knochendichte beobachtet, welche sich nachher stabilisierte. An der lumbalen Wirbelsäule betrug die Abnahme der Knochendichte unter Tenofovir/Emtricitabin ca. 3.2% und war damit um 2% grösser als unter Abacavir/3TC und unter Atazanavir/r ebenfalls ca. 3.2% und war damit um 1.5% grösser als unter Efavirenz. Am Schenkelhals betrug die Abnahme der Knochedichte unter Tenofovir/Emtricitabin ca. 3.9% und war damit um 1.5% grösser als unter Abacavir/3TC und unter Atazanavir/r und Efavirenz je ca  3.3%.
Unter Atazanavir/r kam es häufiger zu einer Zunahme des Fettgewebes an den Extremitäten und am Stamm als unter Efavirenz; unter Tenofovir/Emricitabin und unter Abacavir/3TC war der Fettzuwachs an den Extremitäten nicht unterschiedlich. In allen Behandlungsgruppen wurde jedoch auch bei 14-19% der Studienteilnehmer eine Fettabnahme an den Extremitäten von mindestens 10% beobachet.

Resistenz

Die Schlüsselmutation von Atazanavir ist die I50L-Mutation. Viren mit dieser Mutation sind zu 100% Atazanavir resistent während andere Proteashemmer noch wirksam zu sein scheinen. Die Mutation I50L plus eine weitere primäre PI-Mutation führte zu einer in vitro Resistenz von 20% der untersuchten Stämme gegen Saquinavir, 40% gegen Amprenavir und 80% gegen Saquinavir hingegen 0% gegen Indinavir/r, Lopinavir/r. und Ritonavir. Durch andere PI induzierte Mutationen, die mit einer verminderten Empfindlichkeit von Atazanavir/r einher gehen sind Mutationen an den Positionen 10, 16, 33, 37, 46, 54, 57, 62, 63, 71, 82, 84, 85 und 90. Wenn fünf oder mehr dieser Mutationen vorliegen ist eine relevante Wirkung von geboostetem Atazanavir unwahrscheinlich.

Nebenwirkungen

Die häufigste (5-10%) beobachtete Nebenwirkung ist ein Sklerenikterus (Gelbverfärbung des Augenweisses, das an eine Gelbsucht erinnert) verursacht durch einen Anstieg des unkonjugierten Bilirubins (Gallenfarbstoffes) bei normalen Leberfunktionswerten. Ein Ikterus (Gelbsucht, Gelbverfärbung der Haut) wurde bei weniger als 2% der PatientInnen beobachtet (AI424-008). PatientInnen unter Atazanvir klagten seltener über Durchfall als solche unter Nelfinavir (21 vs 51%; AI424-007). Selten wurde auch über folgende mögliche Nebenwirkungen berichtet: abnormale Laborwerte, Nierensteine, Hautausschlag, Durchfall, Kopfschmerzen und Spuren von Blut im Urin. Werte für Cholesterin und Triglyzeride blieben bei den Atazanavir behandelten StudienteilnehmerInnen normal.

Interaktionen

Atazanavir, die anderen Proteaseinhibitoren und die Nicht-Nukleosidanloga RT-Hemmer werden in der Leber über das Cytochrom P450-System abgebaut. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Substanzen, sogenannte Interaktionen, sind vor allem dann zu erwarten, wenn diese dasselbe Enzymsystem benutzen. Das Resultat dieser Wechselwirkungen sind häufig zu hohe oder zu niedrige Blutspiegel von Atazanavir und/oder der anderen eingenommenen Substanz. Einzelne Interaktionen sind potentiell lebensbedrohlich. Zu hohe Blutspiegel führen unter Umständen zu Nebenwirkungen, zu tiefe Blutspiegel zum Verlust der Wirksamkeit.
Bisher bekannt sind folgende wichtige Interaktionen: Der Talspiegel nach 400mg/d ATV beträgt im Mittel 118 ug/l. Die Zugabe von Tenofvovir reduziert diesen auf (zu niedrige!) 70%. Die Dosierung von ATV/r 300/100 führt zu 7x  höheren Talspiegeln als die 400mg-Dosierung und die Kombination ATV/r + Tenofovir resultiert in 5x höheren Talspiegeln als unter ATV 400 ohne Tenofovir.
Efavirenz 600mg/d reduziert den Spitzenspiegel (Cmax) bzw. die AUC von Atazanavir 400mg/d auf 41 bzw. 26% (3) ; die Zugabe von Ritonavir 200mg/d (zu Atazanavir 400mg/d & Efavirenz 600mg/d) führt zu einer Überkorrektur der Atazanavir-Spiegel mit einer Cmax von 224% bzw. einer AUC von 341% (4). Durch die Zugabe von Rifabutin 300mg/d werden Atazanavir-Spiegel nicht verändert; hingegen sind die Rifabutinspiegel um 250% erhöht (5).  Atazanavir (mit oder ohne Ritonavir-Boosting) darf infolge ungenügender Atazanvir-Spiegeln nicht zusammen mit Protonenpumpenblockern (PPI) oder Magensäureblockern (H2-Antagonisten) verabreicht werden.

Lagerungsvorschriften

Atazanavir ist derzeit erhältlich als Kapseln à 150, 200 und 300 mg.

Dosierung

Atazanavir wird in einer Dosierung von 1 x 300 mg pro Tag "geboosted" mit Ritonavir 1x100mg pro Tag zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen. Wird die Substanz zusammen mit Efavirenz eingesetzt, beträgt die Dosierung von Atazanavir 1 x 400 mg pro Tag und diejenige von Ritonavir 100 mg pro Tag..

In den USA ist als "alternative Option" bei bisher unbehandelten PatientInnen auch eine Dosierung von 1 x 400mg (1x 2 Kapseln à 200mg) pro Tag zusammen mit einer Mahlzeit zugelassen.  Enthält eine Kombination nebst Atazanavir auch Tenofovir, dann darf lediglich die geboostete Dosierung eingesetzt werde und im Falle von Efavirenz muss zusätzlich die Atazanavirdosis erhöht werden. Wird Atazanavir zusammen mit Nevirapin (einem weiteren nicht-nukleosidanalogen RT-Hemmer) oder anderen Protease-Inhibitoren eingenommen, sind infolge von Wechselwirkungen mit diesen Substanzen möglicherweise eine andere Dosierungen angezeigt.

Kommentar

In Studien bei bisher unbehandelten PatientInnen zeigte eine Dosierung von einmal 400-600 mg pro Tag über 48 Wochen virologisch eine vergleichbare Wirkung wie Nelfinavir bei weniger Durchfall und weniger Nebenwirkungen bezüglich dem Fettstoffwechsel (Studien AI424-007 und AI424-008). In der Studie AI424-034, in der Atazanavir und Efavirenz in Kombination mit AZT/3TC miteinander verglichen wurden, fand sich über über 48 Wochen eine virologisch und immunologisch vergleichbare Wirkung.  In der Castlestudie wurde mit Ritonavir geboostetes Atazanavir und mit Ritonavir geboostetes Lopinavir jeweils in Kombination mit Tenofovir/Emtricitabin verglichen; auch hier zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit bei weniger  Diarrhoe und besserem Lipidprofil. Letzteres ist sicher ein bedeutender Vorteil gegenüber den meisten anderen Proteaseinhibitoren und Efavirenz. Die Studie ACTG 5202 bestätigte schliesslich die hohe Wirksamkeit und Verträglichkeit von Atazanavir/r im Vergleich zu Efavirenz in Kombination mit Tenoforvir/Emtricitabin oder Abacavir/3TC und die Studie zeigte zudem einmal mehr, dass die Viren nach dem Versagen einer Proteaseinhibitor-basierten Kombinationen weniger bedeutsame Mutationen aufweisen als nach dem Versagen einer NNRTI-basierten Kombination. 
Gemäss den aktuellen DHHS Guidelines gehört Atazanavir/r zu den bevorzugten Komponenten eines Regimes für einen Therapiebeginn. 

Bei vorbehandelten PatientInnen ist ungeboostetes Atazanavir Lopinavir/r (Kaletra®) deutlich unterlegen. Dies ist möglicherweise auch dann der Fall, wenn ATV 300mg/d mit 100mg/d Ritonavir geboostet wird. Aufgrund der kleinen Patientenzahl in der Studie AI424-045 darf jedenfalls nicht mit Sicherheit von "gleicher Wirksamkeit " gesprochen werden. Die Studie zeigt jedoch etwas anderes: trotz des Boostings mit Ritonavir bleibt die gute Verträglichkeit und der günstige Effekt auf die Lipide weitgehend erhalten. Eine Studie bei der Darunavir/r mit Atazanavir/r verglichen wurde, ist uns nicht bekannt.

Hauptnachteil der Substanz ist sicher der Spitzenspiegel-abhängige Anstieg des unkonjugierten Bilirubins, der häufig zu einer Gelbverfärbung des Augenweisses führt. Atazanavir scheint zudem den Knochenstoffwechsel mehr zu beeinträchtigen als Efavirenz. Bezüglich Fettgewebe ist die Situation kompliziert: unter Atazanavir/r kam es häufiger als unter Efavirenz zu einer Zunahme des Fettgewebes an den Extremitäten (häufig erwünscht), aber auch und am Stamm (meistens unerwünscht). 

Last but not at least, aussergewöhnliche Interaktionen: Tenofovir (Viread®, auch in Truvada®) reduziert die Wirkstoffspiegel von Proteasehemmer (im Fall von Atazanavir um 40%). Atazanavir und Tenofovir dürfen deshalb nur dann zusammen verabreicht werden, wenn Atazanavir geboostet wird. Protonenpumpen-Blocker und andere Hemmer der Magensäurebildung dürfen bei einer Behandlung mit Atazanavir nicht eingesetzt werden. 

Literatur



Last update 19.04.2010