Enfuvirtide (Fuzeon®, T-20)
 

Einleitung

Enfuvirtide (T-20/Ro 29-9800; Handelsname Fuzeon®, Hersteller Trimeris/Roche) ist ein semisynthetisches 36 Aminosäuren Peptidderivat des gp41 Transmembranproteins. Enfuvirtide ist der erste Vertreter der Klasse der Entryinhibitoren, genauer der Fusionsinhibitoren. Medikamente dieser Substanzgruppe verhindern das Eindringen bzw.  Verschmelzen von HIV mit den Wirtszellen. Enfuvirtide verhindert die Fusion von HIV mit der Targetzelle durch die Blockierung  einer Konformationsänderung des Virus-Hüllenproteins gp41.

In den USA wurde Enfuvirtide am 13. März 2003 von der FDA zur Behandlung der fortgeschrittenen HIV-Krankheit bei Erwachsenen und Kindern zugelassen. Die Registrierung in der EU erfolgte Ende Mai 2003. In der Schweiz ist die Substanz registriert und kassenpflichtig per 1. Juni 2003.

Fusionsinhibitoren werden zusammen mit Substanzen aus anderen Medikamentenklassen eingesetzt.

Resultate von Studien

In einer Pilotstudie1 wurden 16 andersweitig nicht behandelte PatientInnen mit einem viral load von 10'000 HIV RNA Kopien/ml und einer CD4-Zellzahl von >100 Zellen/ul, viral load 10'000 HIV RNA Kopien/ml mit zweimal täglich während 14 Tagen entweder 3, 10, 30 oder 100 mg/kg/d Enfuvirtide injiziert. Viral load Reduktion und Anstieg der CD4 Zellen waren Dosis-abhängig. Unter der höchstern Dosierung zeigte sich eine Reduktion des viral loads von >1.5 log (4/4 Patienten hatten einen viral load von <500 HIV RNA Kopien/m) und ein Ansteige der CD4-Zellen von 52 Zellen/ul. Nebenwirungen wurden nicht beobachtet.

In der bisher grössten Studie (T20-205)2 wurden 71 PatientInnen mit fortgeschrittener HIV-Infektion (CD4-Zellen 133/ul, viral load 80‘000 HIV RNA-Kopien/ml) mit Enfuvirtide in einer Dosis von 2 x 50mg/d sc und einer nach genotypischer Resistenztestung optimierten antiretroviralen Therapie behandelt. Die PatientInnen waren im Mittel mit 9 antiretroviralen Substanzen und praktisch alle mit einem Proteaseinhibitor (97%) und oder mit einem Nicht-nukleosidanalogen Reversetranskriptase Inhibitor (79%) vorbehandelt.

Während der 48 Wochen brachen 30 PatientInnen die Studie ab, davon 14 PatientInnen (20% von allen) wegen mangelnder Wirksamkeit (Reduktion des viral loads von <0.5 log), niemand wegen Enfuvirtide-assoziierter Nebenwirkungen. 71% der PatientInnen kam es zu lokale Hautreaktionen, bei 10% zu veränderten Laborwerten wie Anstieg der Transaminasen, Anämie und Thrombopenie.

In der "intent-to-treat" Analyse (bei der Abbrecher als Therapieversager gewertet werden) kam es zu einem Abfall des viral loads von 1.3 log bzw. 13% der PatientInnen hatten einen viral  load von <50 HIV RNA-Kopien/ml, 10% einen viral  load von 50-400 RNA-Kopien/ml und 10% einen viral  load von >400 RNA Kopien/ml, aber einen Abfall von >1 log.

Von den 41 PatientInnen, welche die Therapie fortführten, zeigten nach 48 Wochen 23% einen viral  load von <50 Kopien HIV RNA, 17% einen viral  load von 50-400 RNA-Kopien/ml und 17% einen viral  load von >400 RNA Kopien/ml, aber einen Abfall von >1 log.

In einer weiteren multizentrisch, offen und randomisierten Phase II Studie3 wurden 71 mit PI's aber nicht mit NNRTI's vorbehandelte PatientInnen mit einem viral load von 4.3 log und 230 CD4-Zellen mit ABC+EFV+APV/RTV und je 25% zusätzlich mit Enfuvirtide in einer Dosierung von 2x50 mg, 2x75 mg und 2x100 mg pro Tag subkutan behandelt. Basierend auf 53 auswertbaren PatientInnen wiesen nach 16 Behandlungswochen 48% der zusätzlich mit Enfuvirtide Behandelten und 37% der Kontrollgruppe einen viral load von weniger als 50 HIV-1 RNA Kopien/ml auf. Der antivirale Effekt war dosisabhängig und am ausgeprägtesten bei der Dosierung von 2x100mg pro Tag. Häufigste Nebenwirkung waren Hautreaktionen an den Injektionsstellen.

In zwei  multizentrischen, offen und randomisierten Phase III Studien wurden ca. 1000 mit massiv vorbehandelte PatientInnen mit weniger als 50 CD4-Zellen entweder mit einem "optimized Background Regimen" oder einem"optimized Background Regimen" plus Enfuvirtide in einer Dosierung von 2x100 mg pro Tag subkutan behandelt. Die zusätzlich mit Enfuvirtide behandelte Gruppe wies nach 48 Wochen im Vergleich zur Gruppe ohne Enfuvirtide einen um knapp einen Faktor 10 tieferen Viral load  (-1.48 vs. -0.63) und doppelt (+91 vs. +45) soviele CD4-Zellen auf; 18.3 bzw. 7.8% der StudientielnehmerInnen hatten einen nicht nachweisbaren Viral load (< 50 HIV RNA Kopien/ml).


Resistenz

Mutationen der Aminosäuren 36-45 der HR-1 (heptad repeat) Region von gp41 sind assoziiert mit einer einer  Resistenz gegen Enfuvirtide. Verabreicht als alleinig wirksame Substanz (Monotherapie, Add-on) erfolgt die Resistenzentwicklung rasch (innert 2-4 Wochen), vollständig und geht nicht mit einer wesentlichen Fitnesseinbusse einher.

Nebenwirkungen

Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen (mehr als  2/3) der StudienteilnehmerInnen sind lokale Reaktionen an der Injektionsstelle in oder unter der Haut. Im Blutbild findet sich in ca. 10% der PatientInnen eine Eosinophilie. Zu den weitere beobachteten Nebenwirkungen (Einzelfälle) zählen: Infektionen oder Abszess an der Injektionsstelle, erhöhte Leberfunktionswerte, Blutarmut, Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Amylasewerte, Leukopenie, psychische Veränderungen, Erhöhung der Blutfett- und Cholesterinwerte, Primärreaktion auf Immunkomplexe,  Schlaganfall, Blutgerinnsel in den Beinvenen, Blutgerinnsel in der Milz. Bei sämtliche PatientInnen sind diese Veränderungen nach Absetzen der Enfuvirtide-Behandlung abgeklungen oder verschwunden.

Interaktionen

Aufgrund der chemischen Struktur (Eiweiss) sind keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu erwarten.

Lagerungsvorschriften

Enfuvirtide muss nach Angeben des Herstellers kühl gelagert werden.

Dosierung4

Enfuvirtide wird subkutan (unter die Haut) gespritzt. Die Dosierung beträgt 2 x 90 mg pro Tag. Enfuvirtide wird nur zusammen mit anderen antiretroviralen Medikamenten eingsetzt, die per os eingenommen werden.

Kommentar

Enfuvirtide als Vertreter einer neue Substanzklasse (und damit ohne Kreuzresistenzen mit den bekannten Medikamenten), verabreicht mit noch wirksamen Medikamenten aus den bekannten Substanzklassen, stellt für PatientInnen mit multiplen Vorbehandlungen derzeit eine der wenigen valablen Optionen für eine Salvage-Therapie dar. Die zweimal pro Tag durchzuführende subkutane Applikation ist ärgerlich, in dieser Situation aber ein Umstand, den viele wohl in Kauf nehmen dürften.

Literatur

  1. M. Saag, L. Alledredge, M. Kilby, et al. A short-term assessment of the safety, kinetics, and antiviral activity of T-20, an inhibitor of gp41 mediated membrane fusion. 35th IDSA meeting, San Francisco 1997, Abstract.
  2. C. Cohen, J. Eron, M. Kilby, E. Nelson, P. Sista, J. Lalezar. Forty-eight week analysis of patients receiving T-20 as acomponent of multi-drug salvage therapy. 7th WAC, Durban 2000  [LbPp116]
  3. J. Lalezari, J. Drucker, R. Demasi, S. Hopkins, and M. Salgo.  A Controlled Phase II Trial Assessing Three Doses of T-20 in Combination with Abacavir, Amprenavir, Low Dose Ritonavir and Efavirenz in Non-Nucleoside Naïve Protease Inhibitor Experienced HIV-1 Infected Adults 8th CROI, Chicago, 2001, [LB5!
  4. Beatty, et al.  Randomized pilot study of immediate enfuvirtide-based therapy vs. a treatment interruption followed by enfuvirtide-based therapy in highly treatment-experienced patients.  Abstract 581.  12th CROI
  5. Cabrera, et al.  Genotypic evolution of T-20 resistance-associated mutations in heavily treated HIV-infected patients on long-term treatment with T-20.  Abstract 718.  12th CROII
  6. Deeks, et al.  Interruption of enfuvirtide in patients with enfuvirtide resistance.  Abstract 680.  12th CROI. 
  7. US Prescribing Information
  8. Arzneimittelkompendium der Schweiz: Fachinformation

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Last update 06.04.2005