Rilpivirin (Edurant®)
Einleitung
Etravrin (RPV, TMC 278, Handelsnamen Edurant®, Hersteller Tibotec) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer genannt werden. Weitere Medikamente dieser Klasse sind Efavirenz, Etravirin, (Delavirdine - nur in den USA zugelassen) und Nevirapin. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der Reversen Transkriptase. Die Blockierung dieses Enzyms führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von RNA in DNA. Dies bedeutet, dass neue Zellen vor einer Infektion geschützt und weitere Infektionszyklen verhindert werden. Zwischen den bisher zugelassenen Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern besteht eine praktisch 100%ige Kreuzresistenz; d.h. gegen Viren, die auf die eine Substanz unempfindlich geworden sind nützten auch die anderen aus dieser Substanzklasse nichts mehr.
Rilpivirin wurde in den USA im Mai und in der EU im November 2011 als Monosubstanz (Edurant®) zur Behandlung von Menschen mit einer HIV-Infektion zugelassen; später erfolgte die Zulassung einer Kombinationstablette Complera™ bzw. Eviplera® bestehend aus den Wirkstoffen Rilpivirin + Tenofovir + Emtricitabin.
In der Schweiz ist Eviplera® seit dem 12.03.2013 zugelassen zur Behandlung von bisher unbehandelten Menschen mit einer HIV-Infektion und einem viral load von weniger als 100'000 HIV RNA-Kopien/ml. Seit dem 01.04.2013 ist das Kombinationspräparat kassenpflichtig.
Die Monosubstanz
Edurant® ist derzeit – Stand 11.06.2013 – in der Schweiz
registriert, aber nicht kassenpflichtig.
Resultate von
Studien
In den doppelblind-randomisierten Phase
III-Studien (ECHO und THRIVE) wurden 1369 (690 bzw. 678) bisher unbehandelte PatientInnen entweder mit Rilpivirin
25mg/d oder Efavirenz 600 mg/d zusammen mit Tenofovir + Emtricitabin
untersucht. Unter Rilpivirin bzw. Efavirenz
erreichten 83.5% (76.9%) bzw. 82.4% (77.3%) der PatientInnen
nach 48 (96) Wochen eine Viruslast < 50 HIV-1 RNA-Kopien/ml. Ein
virologisches Versagen wurde bei PatientInnen mit
einem Viral load
>100'000 HIV-1 RNA-Kopien/ml vor Behandlungsbeginn häufiger unter Rilpivirin als unter Efavirenz
beobachtet (5.9% vs 2.5% nach 48 bzw. 17.6% vs. 7.6%
nach 96 Wochen).
In einer offen-randomisierten Phase
III-Studie (STaR) wurden 784 bisher unbehandelte PatientInnen entweder mit einer Kombinationstablette
bestehend aus Rilpivirin
25mg/d + Tenofovir + Emtricitabin
(Eviplera®)
oder einer Kombinationstablette bestehend aus Efavirenz
600 mg/d + Tenofovir + Emtricitabin
(Stocrin®)
behandelt. Unter Eviplera® bzw. Stocrin® erreichten 86% bzw. 81% (Differenz
4.0%, 95% CI [-1.2%, 9.2%]) der PatientInnen
nach 48 Wochen eine Viruslast < 50 HIV-1 RNA-Kopien/ml; Eviplera® war damit nicht weniger wirksam. Bei PatientInnen mit einem Viral load <100'000 HIV-1 RNA-Kopien/ml vor
Behandlungsbeginn (n=508) war Eviplera® statistisch wirksamer als Stocrin® und
bei PatientInnen mit einem Viral
load >100'000 HIV-1 RNA-Kopien/ml nicht inferior.
Resistenz
Eine einzelne Mutation (181 oder 103) im Viruserbgut genügt, um die Viren
gegen die Rilpivirn, Efavirenz
oder Nevirapin resistent werden zu lassen. Die
E138K-Mutation wurde am häufigsten unter der Behandlung mit Rilpivirin
beobachtet, meistens in Kombination mit der M184I-Mutation. Im Rilpivirin-Arm der Zulassungsstudien entwickelten 52% der PatientInnen mit virologischem Versagen gleichzeitig mit
der NNRTI- auch NRTI-Resistenz assoziierte Mutationen
(v.a. K65R, K70E, M184V/I und K219E).
Nebenwirkungen
Die in den Zulassungsstudien am häufigsten berichteten Nebenwirkungen sind Übelkeit (9%), Schwindel (8 %), abnorme Träume (8%), Kopfschmerzen (6%), Diarrhoe (5%) und Schlaflosigkeit (5 %). Depressionen, zumeist leichter Natur, wurden bei 9% der mit Rilpivirin (8% der mit Efavirenz) behandelten PatientInnen beschrieben; Hautausschläge bei 1% (5% unter Efavirenz).
Interaktionen
Rilpivirin, andere Nicht-Nukleosidanloga RT-Hemmer und Protease-Inhibitoren werden in der Leber über das Cytochrom P450-System abgebaut. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Substanzen, sogenannte Interaktionen, sind vor allem dann zu erwarten, wenn diese dasselbe Enzymsystem benutzen. Das mögliche Resultat dieser Wechselwirkungen sind zu hohe oder zu niedrige Blutspiegel von Rilpivirin und/oder der anderen eingenommenen Substanz. Einzelne Interaktionen sind potentiell lebensbedrohlich. Zu hohe Blutspiegel führen unter Umständen zu Nebenwirkungen, zu tiefe Blutspiegel zum Verlust der Wirksamkeit. Rilpivirin sollte nicht zusammen mit folgenden Substanzen eingenommen werden: Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin, Rifapentin, Terfenadin, Johanniskraut und Antiarrhythmika. Ebenfalls kontraindiziert sind wiederholte Dosen von Dexamethason und Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI); bei fehlenden Alternativen soll die Einnahme von PPI im Abstand von 12 Stunden zur Einnahme von Rilpivirin erfolgen.
Lagerungsvorschriften
Eviplera® ist bei Zimmertemperatur (unter 30oC!) in der Originalpackung aufzubewahren.
Dosierung
Eviplera® (Rilpivirin 25mg + Tenofovir 300mg
+ Emtricitabine 200mg) wird einmal pro Tag zusammen mit
einer Mahlzeit (>400 Kalorien) eingenommen.
Edurant® (Rilpivirin 25mg)
wird zusammen mit zwei Nukleosid/Nukeotidanaloga mit
einer Mahlzeit (>400Kalorien) eingenommen.
Kommentar
Mit Eviplera® steht für bisher unbehandelte PatientInnen mit einem viral load von weniger als 100'000 HIV-1 RNA-Kopien/ml eine zweite 1 Pille/Tag-Dreierkombination zur Verfügung. Vorteile gegenüber Atripla® (Efavirenz + Tenofovir + Emtricitabin) sind sicher der Preis (zumindest in der Schweiz) und die insgesamt bessere Verträglichkeit (weniger Hautausschläge bei Behandlungsbeginn und weniger abnorme Träume, allerdings bei in den Doppelblindstudien nicht unterschiedlicher Depressionsrate). Nachteile sind die in den Zulassungsstudien virologisch geringere Wirksamkeit, die damit verbundene Einschränkung auf PatientInnen mit einem Viral load < 100'000 HIV-1 RNA-Kopien/ml sowie erhöhte Gefahr einer NNRTI- und NRTI-Resistenz, und die Notwendigkeit der Einnahme mit einer Mahlzeit.
Switch-Studien zum Wechsel von Atripla® auf Eviplera® sind im Gange. Die preliminären 24-Wochen-Resultate einer Switch-Studie zum Wechsel von einer boosted-PI-Kombinationen auf Eviplera® sind vielversprechend, liegen aber erst als Abstract vor.
Literatur
· Cohen C.J. et al. THRIVE study group. Rilpivirine versus efavirenz with two background nucleoside or nucleotide reverse transcriptase inhibitors in treatment-naive adults infected with HIV-1 (THRIVE): a phase 3, randomised, non-inferiority trial. Lancet, 2011, 378(9787), 229-37
· Molina J.M. et. al. ECHO study group. Rilpivirine versus efavirenz with tenofovir and emtricitabine in treatment-naive adults infected with HIV-1 (ECHO): a phase 3 randomised double-blind active-controlled trial. Lancet, 2011, 378(9787), 238-46
· Mills A, Cohen C, Dejesus E, et al. Switching from efavirenz/emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate (EFV/FTC/TDF) single tablet regimen (STR) to emtricitabine/rilpivirine/tenofovir disoproxil fumarate (FTC/RPV/TDF) STR in virologically suppressed, HIV-1 infected subjects. In: Program and abstracts of the 51st Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC); September 17-20, 2011; Chicago. Abstract H2-794c.
· Cohen C.J. et al. STaR Study: single tablet regimen emtricitabine/rilpivirine/tenofovir DF is non-inferior to efavirenz/emtricitabine/tenofovir DF in ART-naïve adults. Abstracts of the Eleventh International Congress on Drug Therapy in HIV Infection. Journal of the International AIDS Society 2012, 15(Suppl 4):18221
·
P. Tebas, F. Palella, B. Gazzard, P. Ruane, D. Shamblaw, J. Flamm, M. Fisher, J. van Lunzen,
R. Ebrahimi, K. White, B. Guyer,
J. Goodgame, T. Fralich, H.
Graham, E. Elbert. SPIRIT Study: Switching
boosted PI to Rilpivirine In-combination with Truvada as a Single-Tablet Regimen Week 24 Results. 14th International Workshop on Co-morbidities
and Adverse Drug Reactions
in HIV July 20, 2012, Washington D.C. Abstract
TUAB0104
Last update 11.06.2013