FTC (Emtricitabin, Emtriva®)

Einleitung

Emtricitabin (FTC, Handelsname Emtriva®, Hersteller: Gilead Sciences) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Nukleosid-Analoga RT-Hemmer (NRTI) genannt werden. Weitere Medikamente dieser Klasse sind 3TC, ABC, AZT, ddI und d4T. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der Reversen Transkriptase. Die Blockierung dieses Enzyms führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von RNA in DNA. Dies bedeutet, dass neue Zellen vor einer Infektion geschützt und weitere Infektionszyklen verhindert werden.

Emtricitabin ist in den USA seit Juli 2003, in der EU seit dem 28.10.2003 und in der Schweiz seit dem 1.12.2004 zugelassen zur Behandlung der HIV-Infektion von Erwachsenen in Kombination mit anderen Substanzen. 

Nukleosidanaloga RT-Hemmer werden immer in Kombination, vorzugsweise zwei NRTI zusammen mit einem Protease-Inhibitor oder einem Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer eingesetzt. Im Idealfall handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen eine Person noch nie zuvor behandelt wurde. Bei vorbehandelten Personen ist dies nicht immer möglich. In diesem Fall sollte ein Therapiewechsel mindestens zwei neue Substanzen ohne Kreuzresistenz umfassen mit denen die Person noch nie zuvor behandelt wurde. Die Zugabe lediglich einer neuen Substanz zu einer unbefriedigenden Therapie führt zur Entwickung von Resistenzen und ist zum Scheitern verurteilt.

Resultate von Studien

In der Studie 301A wurden 571 bisher unbehandelte PatientInnen mit im Mittel 320 CD4-Zellen und einem viral load von nicht ganz 100'000 (4.9log) HIV RNA Kopien/ml doppelblind entweder mit der Kombination FTC + Didanosin (ddI) + Efavirenz (EFV) -  alle Substanzen einmal pro Tag  - oder mit der Kombination Stavudin (d4T) 2 x pro Tag + ddI + EFV behandelt. Nach 48 Behandlungswochen hatten 78% bzw. 59% der PatientInnen einen viral load < 50 RNA Kopien/ml und die CD4-Zellen waren bei beiden Behandlungsgruppen im Mittel um 168 Zellen angestiegen.

In der offenen Studie 303 wurden 440 während gut 2 Jahren vorbehandelte PatientInnen mit einem viral load <400 HIV RNA Kopien/ml unter einer 3TC + AZT- oder 3TC + d4T-haltigen PI- oder NNRTI-basierten Dreierkombination entweder mit der bisherigen oder mit einer neuen Dreierkombination - bei der 3TC durch FTC ersetzt worden war - weiterbehandelt.  Nach 48 Behandlungswochen hatten 67% bzw. 72% der PatientInnen einen viral load <50 HIV RNA Kopien/ml. In der FTC-Gruppe waren die CD4-Zellen um 29 und in der 3TC-Gruppe um 61 Zellen angestiegen. Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen selten und nicht unterschiedlich.


Resistenz

Ähnlich wie bei den Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern (NNRTI) genügt eine einzelne Mutation im Viruserbgut, im Falle von FTC (und 3TC) am Codon 184, um HIV gegen FTC hochgradig resistent werden zu lassen. Zwischen FTC und 3TC besteht eine 100%ige Kreuzresistenz.

Nebenwirkungen

Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall und leichter Hautauschlag sind die am häufigsten berichteten Symptome von Menschen unter einer Kombination mit FTC. Speziell erwähnenswert sind Hyperpigmentationen von Hand- und/oder Fussohlen, den Nägeln oder der Zunge bei ca. 3% der Behandelten; sie sind damit etwas häufiger als unter AZT, d4T oder 3TC (<1%), üblichweise mild und gehen nicht mit anderen Nebenwirkungen einher.

Interaktionen

Im Gegensatz zu den Protease-Inhibitoren und den Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern sind Wechselwirkungen zwischen Nukleosidanaloga RT-Hemmern vergleichsweise selten. Eine Anpassung der FTC-Dosis ist jedoch zu erwägen im Falle einer Niereninsuffizienz (vgl. Dosierung).

Lagerungsvorschriften

FTC-Kapseln und Sirup (10mg/ml) sind bei einer Temperatur von ca. 25 Grad (15-30 Grad) in der Originalpackung aufzubewahren. 

Dosierung

FTC wird in einer Dosierung von 1 x 200 mg pro Tag (1 x 1 Kapsel à 200 mg oder 1 x 20 ml ) unabhängig von einer Mahlzeit. eingenommen. Dosierung bei verminderter Nierenfunktion: Kreatinin Clearance 30-49ml/min: 200mg alle 2 Tage;  Kreatinin Clearance 15-29ml/min: 200mg alle 3 Tage; Kreatinin Clearance <15ml/min oder Hämodialyse: 200mg alle 4 Tage.

FTC ist auch als Komponente von Kombinationspräparaten erhältlich: 


Kommentar

Emtricitabin ist eine potente Substanz. Die Resultate der Studie 301A zeigen eine Überlegenheit der einmaltäglich verabreichten Dreierkombination FTC + ddI + Efavirenz  im Vergleich zu einer klassischen Thymidinanalogon-haltigen Dreierkombination. Bleibt die Frage, welche Vorteile die Substanz gegenüber Lamivudin (3TC) bietet. Beide haben Substanzen haben dassselbe Resistenzprofil, beide sind wirksam gegen Hepatitis B Viren und beide verursachen wenig Nebenwirkungen. Beide Substanzen können einmaltäglich verabreicht werden: Die Serumhalbwertszeit von FTC beträgt 10, diejenigevon 3TC 3-6 Stunden; die wahrscheinlich entscheidende intarzelluläre Halbwertzeit des aktiven Triphosphats von FTC beträgt 39 Stunden und diejenige des aktiven Triphosphats von 3TC 12 Stunden. Das ist ein Vorteil für  FTC, dessen Relevanz hingegen ist fraglich. Für PatientInnen, die erfolgreich mit 3TC behandelt werden, ist FTC eine leicht kostengünstigere Variante. Interessant ist/wird die Substanz jedoch für aktuell erfolgreich mit Tenofovir + 3TC oder Tenofovir + 3TC + Efavirenz behandelte PatientInnen: durch die Kombinationstabletten Tenofovir+FTC (Truvada) bzw. sobald Tenofovir+FTC+Efavirenz (Atripla) zugelassen sein wird, kann die Tablettenzahl bei gleichbeibender Wirksamkeit reduziert werden; im besten Fall auf eine pro Tag.



Literatur


Last update 03.07.2010